Wie lange sollte ein Sauerteigbrot gehen, damit es eine perfekte Krume bekommt?

Die Gehzeit ist das Herzstück eines guten Sauerteigbrots. Sie entscheidet, ob dein Brot locker, saftig und aromatisch wird – oder dicht, klitschig und flach. Die perfekte Krume entsteht nicht durch Zufall, sondern durch ein ausgewogenes Zusammenspiel von Reifezeit, Temperatur und Mehlqualität.

Kurz gesagt: Ein Sauerteigbrot sollte insgesamt zwischen 12 und 24 Stunden gehen, je nach Umgebungstemperatur und Reifegrad des Sauerteigs. Dabei wird in Stockgare und Stückgare unterschieden – beide sind entscheidend für Struktur und Geschmack.

Was passiert während der Gehzeit?

Beim Gehen lassen arbeiten Milchsäurebakterien und Hefen im Sauerteig: Sie bilden Kohlendioxid, Alkohol und Säure. Diese Gärung sorgt für Luftblasen, Aroma und eine elastische Krume.
Ist die Gehzeit zu kurz, bleibt das Brot kompakt und säuerlich. Geht es zu lange, fällt der Teig zusammen, verliert Spannung und wird flach.

Stockgare und Stückgare – der doppelte Reifeprozess

Damit das Brot gleichmäßig aufgeht, durchläuft der Teig zwei Phasen:

  1. Stockgare (erste Ruhephase)
    • Dauer: 3–6 Stunden bei Raumtemperatur oder 8–12 Stunden im Kühlschrank
    • Zweck: Bildung von Aroma, Elastizität und Gärgasen
    • Hinweis: Teig regelmäßig dehnen und falten (alle 30–60 Minuten)
  2. Stückgare (zweite Ruhephase nach dem Formen)
    • Dauer: 2–4 Stunden bei Zimmertemperatur oder 12–18 Stunden bei Kaltgare
    • Zweck: Stabilisierung der Struktur und Volumenaufbau vor dem Backen
    • Richtwert: Der Teig sollte sich sichtbar vergrößern (ca. 70–90 %)

Wenn du den Teig im Kühlschrank gehen lässt, verlangsamt sich die Fermentation. Das führt zu mehr Geschmack, feinerer Krume und längerer Frischhaltung.

Wie erkenne ich, wann der Teig „perfekt“ ist?

Die Antwort lautet: Mit der Fingerprobe.
Drücke leicht mit dem Finger auf den Teig:

  • Springt die Delle sofort zurück → zu kurz gegangen.
  • Bleibt sie tief und weich → übergangen.
  • Kommt sie langsam wieder hoch → perfekt!

Diese Methode funktioniert sowohl bei der Stockgare als auch bei der Stückgare.

Raumtemperatur oder Kühlschrank?

Die Temperatur bestimmt, wie aktiv die Mikroorganismen im Sauerteig sind.

  • Raumtemperatur (22–26 °C): Schnelle Gärung, luftige Krume, kräftige Säure.
  • Kühlschrank (4–8 °C): Langsame Fermentation, milder Geschmack, feine Struktur.

Ein guter Kompromiss: 3 Stunden Stockgare bei Raumtemperatur, danach über Nacht 12–16 Stunden im Kühlschrank. So entwickelt der Teig tiefe Aromen und bleibt formstabil.

Die Rolle des Sauerteigs

Je aktiver dein Sauerteig ist, desto kürzer kann die Gehzeit sein.
Ein frisch gefütterter, sprudelnder Sauerteig bringt viel Triebkraft mit. Wenn er träge ist, dauert die Gare länger oder das Brot bleibt kompakter.
Tipp: Füttere den Sauerteig 6–8 Stunden vor dem Ansetzen des Brotteigs, damit er in Bestform ist.

Einfluss der Mehlsorte

Nicht jedes Mehl reagiert gleich auf Gärzeit und Temperatur:

  • Weizenmehl (Typ 550, 1050): Geht schnell auf, entwickelt weiche Krume.
  • Roggenmehl: Bildet dichte Struktur, braucht längere Gare und stabile Säure.
  • Dinkelmehl: Sensibel bei Überreife – lieber etwas kürzer gehen lassen.
  • Mischbrote: Profitieren von längerer Kaltgare, da sich Aromen harmonisch verbinden.

Wenn du mit Vollkornmehl arbeitest, verlängere die Gehzeit um 1–2 Stunden, da es mehr Wasser bindet.

Wann ist ein Sauerteigbrot übergangen?

Ein überreifer Teig verliert seine Spannkraft.
Beim Einschneiden fällt er in sich zusammen, das Brot geht im Ofen kaum mehr auf und bekommt große, unregelmäßige Löcher.
Typische Anzeichen:

  • Der Teig riecht stark säuerlich.
  • Er fühlt sich zu weich oder „nass“ an.
  • Die Oberfläche ist eingefallen oder klebrig.

In diesem Fall lieber etwas kürzer gehen lassen – nachreifen kann der Teig im Ofen noch, aber überreife Strukturen lassen sich nicht mehr retten.

Wie du mit Zeit und Temperatur spielst

Die Kunst liegt darin, Gärzeit und Umgebungstemperatur auszubalancieren:

UmgebungstemperaturStockgareStückgare
26 °C (Sommer)3–4 Stunden1–2 Stunden
22 °C (Raumtemperatur)5–6 Stunden2–3 Stunden
8 °C (Kühlschrank)8–12 Stunden12–18 Stunden

Im Sommer reichen oft 6–8 Stunden Gesamtgare, im Winter kann sie 20 Stunden betragen.
Beobachte deinen Teig – er zeigt dir, wann er bereit ist.

Für eine besonders feine Krume

Wenn du Wert auf eine elastische, gleichmäßige Krume legst, helfen dir diese Tricks:

  1. Dehnen und Falten: Fördert die Glutenentwicklung.
  2. Langzeitgare: Kühlschrankgare über Nacht für feine Porung.
  3. Hydration beachten: Etwas mehr Wasser (70–75 % Hydration) ergibt offenere Krume.
  4. Schonendes Formen: Luft im Teig erhalten – nicht zu stark drücken.
  5. Heiß anbacken (250 °C): Kruste schließen sich schnell, Krume bleibt saftig.

Für Brote mit großen Poren (z. B. Ciabatta) kann der Teig etwas über die „perfekte“ Gare hinaus gehen – er soll lebendig, aber nicht zusammenfallen.

Zusatz-Tipp: Autolyse für mehr Struktur

Ein Trick aus der Profibäckerei: Lass Mehl und Wasser 30–60 Minuten ruhen, bevor du den Sauerteig zugibst.
Diese sogenannte Autolyse baut Gluten auf, ohne den Teig zu überkneten. Das verbessert die Krume spürbar und reduziert Klümpchenbildung.

Häufig gestellte Fragen zur Gehzeit von Sauerteigbrot

Wie lange muss Sauerteigbrot insgesamt ruhen?

Je nach Rezept und Temperatur zwischen 12 und 24 Stunden. Dabei gehören mindestens 3–6 Stunden Stockgare und 2–4 Stunden Stückgare dazu.

Kann man Sauerteigbrot über Nacht gehen lassen?

Ja, das ist sogar empfehlenswert. Eine Kaltgare über Nacht (8–16 Stunden im Kühlschrank) sorgt für tieferes Aroma und bessere Krume.

Wie erkenne ich, dass das Brot backbereit ist?

Der Teig sollte sich fast verdoppelt haben und auf Fingerdruck nur langsam zurückspringen – dann ist der perfekte Zeitpunkt gekommen.

Was passiert, wenn das Brot zu lange geht?

Der Teig fällt zusammen, bekommt große Löcher und eine klebrige Krume. Außerdem wird der Geschmack deutlich saurer.

Wie wirkt sich die Gehzeit auf den Geschmack aus?

Längere Gehzeiten bringen mehr Säure, nussige Aromen und eine zarte, elastische Krume. Kürzere Zeiten führen zu milderem Geschmack und dichter Struktur.

Zusammenfassung

Die perfekte Krume beim Sauerteigbrot entsteht durch Geduld und Gefühl: lange, aber kontrollierte Gehzeiten, angepasst an Temperatur und Sauerteigaktivität. Eine Kaltgare über Nacht liefert oft die besten Ergebnisse – mit saftiger, luftiger Krume und komplexem Aroma. Beobachte deinen Teig, statt nur der Uhr zu folgen – er zeigt dir, wann er bereit ist.

Fazit

Sauerteigbrot braucht Zeit, kein festes Rezept. Wer Geduld hat, wird mit einer elastischen Krume und vollem Geschmack belohnt. Mit den richtigen Ruhephasen und etwas Erfahrung gelingt jedes Brot wie vom Bäcker – du musst nur wissen, wann der Teig „zufrieden“ ist.

Schreibe einen Kommentar